Vielleicht....?

Meine großen Worte werden mich nicht vor dem Tod schützen

und meine kleinen Worte werden mich nicht vor dem Tod schützen
überhaupt kein Wort
und auch nicht das Schweigen zwischen den großen und kleinen Worten
wird mich vor dem Tod schützen.

Aber vielleicht - werden einige dieser Worte
und vielleicht - besonders die kleineren
oder auch das Schweigen zwischen den Worten
einige vor dem Tod schützen wenn ich tot bin?
(Erich Fried)

Gedichte eines Zenmeisters


Zenmeister Dokushô F. Villalba (*1957) ist der erste
Zenmeister Spaniens seit Anfang der 80er Jahre lehrt
er und gründete als Abt im Jahre 1987 den "Templo Luz Serena"
im Hinterland, ca. 80 km westlich von Valencia in den Bergen.

Ich lernte ihn kennen 1987 als ich 33 Jahre alt war.
In einer schwierigen Phase meines Lebens, in der
Krankheit und Schmerzen - wohl eher Seelenschmerzen -
meine ständigen Begleiter waren, obwohl ich zu dieser
Zeit mich auf den Kanarischen Inseln bequem und
sorglos hätte einrichten können. Durch ihn fand ich
Zugang zu einem spirituellen Weg, dem ich bis heute
folge und der aus meinem Leben nicht mehr zu löschen ist.

ZEN ist für mich nichts anderes als ein Weg zu mir selbst und dadurch in  Verbindung zu
treten zu allem, was in mir und um mich herum existiert. Die Praxis des Zazen (= Meditation)
ist hierbei eine Übung, die mich auf einfache und organische Weise in die Lage versetzt,
spüren zu lernen, was ist, bei mir und allen Lebewesen, denen ich begegne.

Ich übersetze von Zeit zu Zeit gerne eines seiner Gedichte, damit DU, der Du vielleicht noch
nichts über Zen weisst, erfassen kannst, dass Spiritualität nichts anderes ist als das ganz
normale Leben mit all seinen Höhen und Tiefen,seinen Schmerzen und Freuden, Leidenschaften
und Sehnsüchten und erst einmal nichts zu tun hat mit Askese und Rückzug aus der Realität -
ganz im Gegenteil!

Meister Dokushô gibt dies auf wunderbar schlichte Weise in seinen Gedichten
wider.

Wenn Du der spanischen Sprache mächtig bist, empfehle ich Dir
folgende Links zu Meister Dokushô:

http://dokushovillalba.blogspot.com/
https://www.facebook.com/profile.php?id=100002495264458
http://www.luzserena.net


Leidenschaft und Tod

Die Leidenschaft des Todes
Der Tod der Leidenschaft
Leidschaffendes Leiden
Sterbendes Sterben
Ich weiß nicht, wo ich bin
In irgendeinem Raum
Zwischen Leidenschaft und Tod
Pulsierend in meinen Wünschen
Erschöpft bei deren Verlöschen
wie Asche in meinem Mund...

Was ist Gegenstand des Wunsches?
Die Lust oder der Tod?
Die Lust des Sterbens?
Der Tod der Lust?
Sterben? Warum?
Um in dem Wunsch nach Leben wiedergeboren zu werden?
Ich weiß nicht, wo ich bin

An irgendeinem unbekanntem Ort
Im Wunsch zwischen Leben und Sterben
Leben – Leidenschaft - Sehnsucht

       Wie Wasser zwischen den Fingern… nicht zu greifen
Und ich – entfernt vom Leben - tot im Leben

Zwischen Sehnsucht und dem Nichts
Da ist nichts mehr....

Die Sehnsucht nicht zu sein
Die Sehnsucht zu sein
Die Sehnsucht nach einem Nichtwissen
Vom jenseits des Seins und Nichtseins
Welche Quelle vermag diesen Durst zu stillen?

                                             
 

Am Ende wird die Liebe siegen


Es ist bedeutungslos – wie sehr wir uns voneinander entfernten
Als  wir den Trugbildern unserer Träume folgten
Es ist weder die Zeit, in der wir im Mangel lebten,
Noch sind es die Männer, in denen du mich gesucht hast

Noch die Frauen, auf die ich mich eingelassen habe,
Suchend immer nur suchend nach Deiner Gegenwart.

Wir werden uns finden – Vermählte meiner Seele -
 Ich weiß, dass wir uns finden werden.
Die Liebe, die uns einst verband

- von der weder du noch ich wussten Wieso und Warum -
 Sie hält uns zusammen in unlöschbarem Feuer,
 Das weder Bedingung noch Zeiten kennt.

Wir werden jede einzelne unserer Wunden lecken
Mit dem süßen Balsam unserer Küsse.
Unsere Körper mit brennenden Tränen des neu gefundenen Glücks benetzen.
Und der Glanz in unseren Augen Wird der Zaubersee sein
 In dem sich die Liebe triumphierend
 über Tod und Angst hinaus spiegeln wird.

Du wirst es sehen: Jenseits des Schattens, der ich für dich war
Und des diamantenen Körpers, der sich in dir einst entfaltete
Werde ich dein Licht im Dunkel deines Herzens entzünden
Und da werden weder Schmerz noch Angst sein
In der Umarmung, die uns für immer vereint.


Letzte Nacht besuchte mich die Göttin Mond

Letzte Nacht besuchte mich die Göttin Mond
ganz allein in der Morgendämmerung
ganz leis’ war sie eingestiegen
durch die weiten Fenster meines Alkovens                 
Durchflutete den Raum mit ihrem blassen weißen Licht.
Versunken in tiefem Schlaf
fühlte ich ihre Gegenwart auf Gesicht und Lidern
Vernahm ihren Ruf als sie mich berührte und folgte ihr
der Begegnung entgegen
und erwachte aus meinen Träumen.
Ich öffnete die Augen und sah sie vor mir
in ihrem schimmernd blassem Glanz
der mich erschaudern ließ
und wurde zurückgeholt auf die Welt
von ihrem Auge das niemals schläft.
Schlaflosigkeit und Traum, ein und dieselbe Illusion.
Einen Bruchteil einer Sekunde
blickte ich in die Ewigkeit
in die flüchtigen Unendlichkeiten des Augenblicks
die gerade gewesen
schon wieder vergangen sind.
Danach sank ich zurück in tiefen Schlaf.
Heute Morgen
beim Erwachen
erinnerte ich die nächtliche Begegnung
und wurde mir gewahr
dass ihr Auge, das niemals schläft
nochmals erschienen war.
Wer oder Was ist es, der oder das schläft?
Wer oder was ist es, der oder was träumt?
Ein Weg beginnt sich zu öffnen
zwischen Erwachen und Traum
zwischen Traum und Erwachen

Dokushô Villalba
Alicante, 30 junio 2009

 Übersetzung ins Deutsche:
 
Rita Jurgens - 06-10-2011

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